Die Einschränkungen der Pandemie gehören mehr und mehr der Vergangenheit an. Die Schweizer Industrie wurde auch dank dem Einsatz von Swissmem zwar nie in einen Lockdown gezwungen. Sie musste aber im Jahr 2020 dennoch herbe Verluste hinnehmen. Wie die Zahlen des Geschäftsjahres 2021 belegen, haben die Industriefirmen die Herausforderungen mit beeindruckender Agilität und Kreativität gemeistert. Es lohnt sich deshalb, Bilanz zu ziehen und Erkenntnisse für die Zukunft zu gewinnen.
Leistungen der Luftfahrt für den Export
Die Schweizer Maschinen-, Elektro- undMetall-Industrie (MEM-Industrie) ist stark exportorientiert. Rund 80 Prozentder Güter und Dienstleistungen gehen in Märkte der Welt. Während der Pandemie waren die Reisebeschränkungen das wohl grösste Hindernis für die Industrie. Trotz fortschreitender Digitalisierung können Montage- und Servicearbeiten nicht ausschliesslich «remote» durchgeführt werden. Auch für die Kundenakquisition, die Begleitung anspruchsvoller Projekte sowie die Führung von Produktionsstandorten im Ausland Bedeutung der Luftfahrt für die Exportindustrie müssen Spezialisten sowie das Management reisen können. Eine hohe Mobilität des Fachpersonals ist oft entscheidend. Aber es braucht selbstredend auch hinreichende Transportkapazitäten zur See und in der Luft, um die Produkte sicher und zeitgerecht zum Ziel zu bringen.
Reisebeschränkungen und fehlende Transportkapazitäten führten in der Pandemie zu empfindlichen Einbussen. Ich möchte deshalb heute die Bedeutung der Luftfahrt für den Export ins Zentrum rücken. Die folgenden Zahlen sprechen für sich. Gemessen am Wert, exportieren Schweizer Unternehmen 50 Prozent der Güter per Luftfracht. In der MEM-Branche sind dies vor allem Präzisionsinstrumente, Maschinen, Komponenten, Ersatzteile oder Ausrüstungsmaterialien. Beim Import gelangen wertmässig 35 Prozent der Güter im Flugzeug in die Schweiz. Aus der Schweiz gibt es Direktflüge zu rund 200 Destinationen in knapp 70 Ländern. Sie bedienen alle wichtigen Industriemärkte. Dieses dichte Netz erhöht die Effizienz der Geschäftsreisen, denn sie reduzieren die Reise- sowie im Bedarfsfall die Interventionszeiten für Fachspezialisten.
Luftfahrt ist Jobmotor für Industrie
Die Luftfahrt ist nicht nur für den Export wichtig. Sie generiert auch Wertschöpfung und Arbeitsplätze in Schweizer Industrieunternehmen, die mittelbar oder unmittelbar mit der Aviatik verbunden sind. Gemäss dem Bericht des Bundes über die Luftfahrtpolitik der Schweiz aus dem Jahr 2016 sind rund 11000 Personen in der Schweiz in dieser Branche tätig. Zählt man die Zulieferer hinzu, sind es über 16000. Sie erarbeiten qualitativ hochstehende Produkte, welche im In- und Ausland gefragt sind. Die Mehrheit dieser Firmen sind klassische KMU, die hochinnovative Produkte entwickeln.
Ich denke, die eben genannten Fakten belegen die grosse Bedeutung der Luftfahrt für die Schweizer Industrie. Die Pandemie hat gezeigt, dass wir im Interesse der Exportwirtschaft zur Luftfahrt Sorge tragen müssen. Gleichzeitig ist die Aviatik aber auch abhängig von der Industrie. Um die Herausforderungen der Zeit zu bewältigen, braucht sie technische Lösungen. Die Industrie macht die Luftfahrt mit Innovationen laufend energieeffizienter und ressourcenschonender. Eine höhere Energieeffizienz ist aber nur ein Zwischenziel. Mittel- bis langfristig braucht es CO2-neutrale Treibstoffe, sogenannte «Sustainable Aviation Fuels», welche die fossilen Kraftstoffe ersetzen sollen. Auch in der Entwicklung dieser «Sustainable Aviation Fuels» gehören Schweizer Firmen zur Weltspitze.
Forschungsprogramm Horizon ist essentiell für die Schweizer Industrie
Damit wir in diesen sowie in allen anderen technologischen Bereichen an der Weltspitze bleiben können, sind kontinuierliche Investitionen in Forschung und Entwicklung unerlässlich. Das bringt mich zu einem jüngst viel diskutierten Thema: die fehlende Assoziierung der Schweiz an das europäische Forschungsprogramm «Horizon Europe». Im Zentrum der öffentlichen Diskussionen standen bisher vor allem die Pharmaindustrie sowie die Hochschulen. Kaum je wurde «Horizon Europe» in Zusammenhang mit der Tech-Industrie gebracht. Die Bilanz von «Horizon 2020» ist für die Schweizer Industrie überaus positiv. Umso mehr schmerzt der Ausschluss der Schweiz aus dem Folgeprogramm «Horizon Europe». Letztlich sind diese europäischen Forschungsförderungsprogramme für die Schweizer MEM-Industrie noch viel wichtiger als für andere Branchen. Das globale Zentrum der Ingenieurswissenschaften und der Fertigungstechnik befindet sich nicht etwa in Asien oder den USA, sondern genau hier im Raum Schweiz, Deutschland, Österreich und Norditalien. Die Wege in dieser Region sind kurz. Die oft interdisziplinäre Zusammenarbeit auf der Ebene von Universitäten und Forschungsinstituten oder zwischen den Unternehmen ist eng und intensiv. Daraus entstehen technologische Spillover-Effekte, die für die Industrie essenziell sind.
Der Ausschluss von «Horizon Europe» entkoppelt die Schweiz teilweise von diesem regionalen Forschungs- und Innovationscluster. Das schadet der Innovationskraft der Schweizer Industrie, aber auch jener in den angrenzenden Regionen. Der Bund erhöht zwar seine eigenen Fördermittel. Diese können aber die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in gemischten Konsortien nicht ersetzen. Hinzu kommt, dass den Schweizer Hochschulen auch im Tech-Bereich ein herber Verlust an Spitzenleuten droht, die von anderen europäischen Hochschulen abgeworben werden. Diese Spitzenkräfte gehen in der Folge auch der Industrie verloren. Deshalb fordere ich den Bundesrat auf, alles Notwendige zu tun, damit eine Assoziierung der Schweiz an «Horizon Europe» noch in diesem Jahr möglich wird.
In diesem Zusammenhang begrüsst Swissmem die Schritte des Bundesrates zur Stabilisierung des bilateralen Wegs. Wir hoffen, dass das sektorielle Vorgehen von der EU akzeptiert wird.
Ich fasse zusammen. Die MEM-Industrie exportiert fast 80 Prozent ihrer Güter. Die Luftfahrtindustrie ist für die Exportwirtschaft ein wichtiger Partner sowohl für den Güterexport wie auch für die Geschäftsreisen. Gleichzeitig profitiert die Aviatik von einer innovationsstarken Industrie, weil diese die Lösungen für eine ressourcenschonende und CO2-neutrale Luftfahrt entwickelt. Damit die Industrie in der Schweiz weiterhin Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit entwickeln sowie breiten Wohlstand generieren kann, ist sie gezwungen, innovativ zu bleiben. Eine Assoziierung an «Horizon Europe» noch im Jahr 2022 ist deshalb essenziell.
Für Spitzenleistungen braucht es aber auch spezialisierte Fachkräfte. Die Berufsbildung spielt bei der Ausbildung des Nachwuchses eine entscheidende Rolle. Swissmem engagiert sich hier seit Jahrzehnten stark als Trägerin der industrielltechnischen Berufslehren.