«Die Berufsbildungsreform FUTUREMEM ist mit ihren acht Berufen der MEM-Branche das grösste Berufsrevisionsprojekt, das es in der Schweiz gibt und je gab», sagte Projektleiter Jörg Aebischer am Informationsabend Anfang Dezember 2022 in Frauenfeld vor rund 230 Zuhörerinnen und Zuhörern, davon 150 Personen online. FUTUREMEM sei ein Projekt mit höchster Komplexität. Eine Feststellung, die alle Referenten des Abends bestätigten. Viele Augen seien deshalb bewundernd, aber auch kritisch auf das Projekt gerichtet.
Standortbestimmung
Die Anforderungen an die Reform sind zahlreich: acht Berufe, zwei Trägerorganisationen, zahlreiche Teilbranchen und Stakeholder mit dem Ziel einer neuen Bildungskonzeption, die durchlässig und flexibel auf Aktualitäten der sich schnell weiterentwickelnden MEM-Branche reagieren soll.
Die zwei Trägerorganisationen Swissmechanic und Swissmem haben im Sommer eine Standortbestimmung gemacht und festgelegt, was zum Projekt gehören soll, was nicht und fünf Kernprozesse bestimmt: formale Berufsentwicklung, Information und Ausbildung, didaktische Konzeption, Lern- & Lehrmedienentwicklung und Projektführung. Jeder Kernprozess ist in Arbeitspakete aufgegliedert, die mit solchen aus anderen Kernprozessen vernetzt sein können.
Start am 1. August 2026
Um zu gewährleisten, dass eine möglichst vergleichbare Ausbildungsqualität innerhalb der Schweiz erreicht wird, wurde eine eigens eingesetzte Fachgruppe Qualitätsstandards gebildet. Lern- und Lehrmedien werden nun von beiden Verbänden gemeinsam entwickelt. Auch da gibt es eine Arbeitsgruppe. Ebenso wird an einer Lernumgebung und Lernplattform gemeinsam gearbeitet. Im Bereich Berufsmarketing werden ab Anfang 2023 Tools zur Verfügung stehen, die individuell eingesetzt werden können.
Festgelegt wurde auch der neue Zeitplan. Die Arbeiten laufen aktuell unter dem Vorticket. Am 1. Mai 2024 ist der Ticketantrag vorgesehen, am 1. Juni 2025 der Erlass der Bildungsverordnung, am 1. Januar 2026 soll sie in Kraft gesetzt werden. Ab dem 1. August 2026 sollen die acht MEM-Berufe mit neuen Bildungsverordnungen und -plänen ausgebildet werden.
Die Bildungspläne für die acht MEMBerufe sind inhaltlich fertig erstellt und wurden im Dezember 2022 auf Italienisch sowie Französisch übersetzt. Es wurden vertikale Abstufungen vollzogen (Leistungsniveaus, 4-, 3-, 2-jährige Lehre wie zum Beispiel Polymechaniker/-in, Produktionsmechaniker/-in und Mechanikpraktiker/-in) und horizontale Inhalte abgeglichen.
Berufsbilder
Das jeweilige Berufsbild wurde definiert durch fünf Oberbegriffe, die vom SBFI festgelegt wurden: Arbeitsgebiet, wichtigste Handlungskompetenzen, Berufsausübung, Bedeutung des Berufes für Gesellschaft, Wirtschaft, Natur und Kultur sowie Allgemeinbildung.
In einem zweiten Schritt wurde für jeden Beruf anhand des Rasters des SBFI eine Übersicht der Handlungskompetenzen zusammengestellt. Dabei wurde versucht, diese für alle acht Berufe der MEM-Branche zu harmonisieren. Es wurden Handlungskompetenzbereiche von a bis d festgelegt. Für den Anlage- und Apparatebauer sind zum Beispiel 14 Handlungskompetenzen für die Lernenden Pflicht, das heisst, sie müssen sie nach der Ausbildung beherrschen. Aus weiteren acht Handlungskompetenzen (Wahlpflicht) müssen Lernende in Abstimmung mit ihrem Lehrbetrieb jeweils eine auswählen.
Leistungskriterien
Die Handlungskompetenzen werden jeweils durch eine Arbeitssituation beschrieben und gemäss dem Nationalen Qualifikationsrahmen eingestuft, der europaweit gilt. Jeder Handlungskompetenz sind Leistungskriterien für den Betrieb, die Berufsfachschule und für die überbetrieblichen Kurse (üK) zugeordnet. Die Leistungskriterien von Berufsfachschule und üK sind unterstützend zu den Leistungskriterien im Betrieb. Leistungskriterien beschreiben eine konkrete Tätigkeit. Diese ist handlungsorientiert beschrieben und muss beobachtbar, mess- und beurteilbar sein. Jedem Leistungskriterium ist ein Leistungsniveau zugeordnet.
Mitte Januar 2023 wurde ein Branchensounding in den Betrieben durchgeführt. Es handelte sich um eine Onlinebefragung, ähnlich wie sie bereits vor drei Jahren durchgeführt wurde. Anhand der wichtigsten Handlungskompetenzen zeigten die Projektverantwortlichen den Betrieben das neue Konzept der Handlungskompetenzorientierung auf. Die Betriebe konnten aus der Arbeitsperspektive ihre Rückmeldung zu den erarbeiteten neuen Fachinhalten geben.
Berufsfachschulen und üK-Zentren als ebenfalls beteiligte Lernorte haben zu einem späteren Zeitpunkt die Möglichkeit, sich aus der Bildungsperspektive zu äussern.
Umsetzungsdokumente
Als Nächstes nach den Bildungsplänen stehen die Umsetzungsdokumente an, das heisst das Ausbildungsprogramm für die Lehrbetriebe, das flexibel sein soll, und – aufgrund der Lernfelder – das Kursprogramm für die üK und der Berufsschullehrplan.
Ziel dabei ist, dass die Arbeitssituation die Basis der Vermittlung der Grundlagen darstellt – das Wissen soll nicht mehr isoliert vermittelt werden, sondern mit der Praxis verbunden.
Für die Berufsfachschulen ist die grösste Neuerung, dass man sich weg von der Fächerorientierung hin zu einer Lernfeldorientierung und dementsprechend zu einer Handlungskompetenzorientierung bewegt. Der Transfer «von der Praxis für die Praxis» soll bereits in den Umsetzungsdokumenten unterstützend implementiert werden. Zudem werden Lernaufgaben entwickelt für üK und Berufsschulen.
Zudem wird von der Schwerpunktausbildung zu den Wahlpflichtkompetenzen gewechselt. Diese sollen wenn möglich von den Berufsfachschulen und den üK unterstützt werden. Dabei sollen Lernortkooperationen helfen, wie es sie vereinzelt bereits heute gibt. Spätestens nach dem zweiten Lehrjahr sollen die Lernenden zusammen mit ihren Lehrbetrieben eine Wahlpflichtkompetenz wählen und an eine Triagestelle melden. Die Lernfelder dienen später als Grundlage für einen Lernfeldbaukasten, Lern- und Lehrmedien werden entwickelt. Diese sollen ein Jahr vor dem Start bereitstehen.
Informationsanlass
Der nächste Informationsanlass findet am 10. Mai 2023 in Fribourg statt. Zukünftig sollen Informationsanlässe punktuell ebenfalls in der Romandie und im Tessin durchgeführt werden.
Weitere Informationen unter: www.futuremem.swiss und www.swissmechanic.ch
Der Artikel ist im Swissmechanic-Journal 1/23 erschienen.