Fotos von vermüllten Stränden und Gewässern sowie Mensch und Tier, die darunter leiden, heizen die Stimmung zusätzlich auf. Die Europäische Union hat mit der sogenannten EU-Plastikstrategie ein klares Zeichen gegen die weitere Zunahme von Einwegverpackungen gesetzt und die Verpackungsindustrie damit vor enorme Herausforderungen gestellt. Dabei wird leicht vergessen, dass Verpackungen – gerade bei Lebensmitteln – einen massgeblichen Anteil am Schutz und am Erhalt der Produkte haben. Deshalb stellt sich generell die Frage: Was ist nachhaltig und umweltfreundlich?
«Aktuell lautet das Credo in der Verpackungswirtschaft: vermeiden, vermindern, verwerten», sagt Stephan Bitterlin, Geschäftsführer des Schweizerischen Verpackungsinstituts. Dafür verantwortlich ist nicht zuletzt das von der Europäischen Kommission lancierte «Zukunftsbild einer neuen Kunststoffwirtschaft für Europa». Industrie und Handel, die abpackende Industrie und die Verpackungshersteller werden damit vor eine enorme Zukunftsaufgabe gestellt: Bis 2030 sollen alle in Europa in Verkehr gebrachten Kunststoffverpackungen wiederverwendbar sein oder kosteneffizient recycelt werden können. Bis zum Jahr 2021 sollen bereits Einweg-Kunststoffartikel wie Teller, Besteck, Strohhalme, Haltestäbe für Luftballons oder Wattestäbchen aus Plastik vom EU-Markt genommen werden. Die Mitgliedstaaten sollen darüber hinaus die Verwendung von Produkten fördern, die für Mehrfachnutzung geeignet sind und, wenn sie zu Abfällen geworden sind, zur Wiederverwendung und zum Recycling vorbereitet werden können. Als Teil des EU-Wirtschaftsraums kann sich die Schweiz diesen Vorgaben nicht entziehen.
Vermeiden: Stichwort «Food Waste» oder Verpackungen schützen wertvolle Güter
Doch in den Industrieländern steigt der Verpackungsbedarf weiter an: Es gibt immer mehr kleine Haushalte, in denen ein bis zwei Personen leben. Kleinere Verpackungseinheiten helfen den Verbrauchern dabei, bedarfsgerecht einzukaufen, sodass Food Waste verringert wird. Verpackungen dienen zudem der Kommunikation: Sie sagen unter anderem, wie lange ein Lebensmittel haltbar ist, wann es abgepackt wurde und woher es kommt. Auch dadurch wird verhindert, dass zu viele Nahrungsmittel vergeudet werden und im Müll landen. Seit einiger Zeit sind sogenannte Unverpackt-Läden im Trend. Waren und Lebensmittel werden dort lose und unverpackt angeboten. «Das setzt eine hohe Selbstorganisation und Verantwortungsbereitschaft aufseiten der Konsumenten voraus und nicht zuletzt auch einen schnellen Warenumsatz, gerade bei verderblichen Produkten», so Bitterlin. Für eine möglichst geringe Umweltwirkung eines Produkts ist die Verbindung von wirksamem Produktschutz, hoher Materialeffizienz und guter Rezyklierbarkeit zielführend. Je hochwertiger das Produkt und je aufwendiger sein Herstellungsprozess, desto wichtiger ist die Schutzfunktion der Verpackung. Deshalb können beispielsweise auch in Folie eingepackte Salatgurken ökologisch absolut sinnvoll sein – hier werden etwa 50 Prozent der Lebensmittelabfälle bereits im Handel vermieden.
Vermindern: Materialeinsparung und alternative Rohstoffe
«Verpackungen sind über die Jahre immer leichter und materialsparender hergestellt worden bei gleichbleibenden oder noch besseren Schutz- und Barrierefunktionen der hochentwickelten Materialien und ihrer ausgeklügelten Kombinationen», sagt Bitterlin. Heutzutage werde darauf geachtet, dass die Waren mit einem minimalen Materialeinsatz sicher verpackt werden. Aluminiumdosen werden mit einem Bruchteil des Materials gefertigt, das noch vor 30 Jahren eingesetzt wurde. Ein grosser Sprung in Sachen Materialeinsparung ist mit den flexiblen Verpackungen wie Tüten, Beuteln oder Folien gelungen, die gegenüber den meisten anderen Verpackungslösungen einen deutlich geringeren Materialeinsatz aufweisen. Allerdings bestehen flexible Verpackungen meist aus mehreren Schichten. Solche Verbundmaterialien erfüllen Funktionen, die Monomaterialien nicht bieten. Ein Beispiel hierfür ist der effektive Schutz von Lebensmitteln und Konsumgütern vor Licht oder Sauerstoff. Beim Recycling müssen die einzelnen Materialien der Verpackung jedoch getrennt werden. Dies ist bislang nicht möglich, weshalb die Abfälle als nicht recyclingfähig gelten und thermisch verwertet werden. Forschungseinrichtungen wie das Fraunhofer-Institut arbeiten hier an Lösungen, mit denen die einzelnen Komponenten getrennt und recycelt werden können.
Darüber hinaus werden alternative Rohstoffe gesucht. So könnten beispielsweise ungenutzte natürliche Proteine, die in der Textil- und Lebensmittelindustrie anfallen, als Bausteine für die Kunststoffgewinnung dienen. Das Plastics Innovation Center in Fribourg forscht daran. Bei der Papier- und Kartonherstellung wird bereits Gras als schnell nachwachsender heimischer Rohstoff eingesetzt.
Verwerten: funktionierende Kreislaufwirtschaft ist essenziell
Würden alle Länder so viele Ressourcen verbrauchen wie die Schweiz, wären rund 2,8 Erden notwendig. Das berichtet das Bundesamt für Umwelt BAFU. Allerdings hängt die tatsächliche Umweltbelastung pro Person wesentlich von einer funktionierenden Abfallwirtschaft respektive Kreislaufwirtschaft ab. Werden Wertstoffe richtig gesammelt, steht einer Wiederverwertung nichts mehr im Weg. Themen wie Design for Recycling liegen deshalb in der Verpackungswirtschaft voll im Trend. Beim Entwurf einer Verpackung wird hier das Recycling bereits mitgedacht. «Besteht eine Verpackung aus mehreren Materialien, beispielsweise einem Karton mit Sichtfenster aus Kunststoff, kommt es vor allem darauf an, dass sich die einzelnen Komponenten trennen und getrennt sammeln lassen», erklärt Bitterlin. Das nehme allerdings in erster Linie wieder die Verbraucher in die Pflicht, die diese Trennung bei der Entsorgung im Hausmüll im Idealfall gleich selbst vornehmen. Um hier noch bessere Resultate und einen höheren Output zu erreichen, gibt es in der Schweiz zahlreiche Initiativen, um das Thema Recycling und Kreislaufwirtschaft auszubauen, u. a. die Allianz for Recycling oder die Drehscheibe Kreislaufwirtschaft, an der auch das SVI mitwirkt.
Gibt es einen Königsweg?
In der Verpackungsindustrie wird mit Hochdruck nach innovativen Lösungen gesucht, um dem Handel, den Konsumenten und letztendlich auch den Vorgaben der Politik gerecht zu werden. «Die EINE Lösung gibt es nicht», sagt Stephan Bitterlin. Dafür bieten die verschiedenen Packstoffe zu unterschiedliche Eigenschaften und dafür sind auch die Anforderungen der Packgüter zu vielfältig. Fest steht, dass die Verpackungen mit ihren Funktionen mehr ökologischen Nutzen bieten als Schaden bringen. «Letztendlich hängt es doch von jedem von uns selbst ab, ob wir die Verpackung richtig entsorgen und ob wir nur einkaufen, was wir auch tatsächlich verbrauchen können.»
Das Schweizerische Verpackungsinstitut
Das Schweizerische Verpackungsinstitut SVI, gegründet 1963, ist der packstoffneutrale Dachverband der schweizerischen Verpackungswirtschaft (Jahresumsatz über CHF 6,5 Mia.; 400 Betriebe; 25 000 Mitarbeitende). Das SVI repräsentiert den gesamten «life cycle» der Verpackung und fungiert als Partner zwischen Behörden, Medien, Konsumenten und Verpackungswirtschaft.
Das SVI vertritt die Anliegen und die Interessen des schweizerischen Verpackungswesens gegenüber Behörden und Organisationen – auf nationaler und internationaler Ebene. Durch seine packstoffneutrale Ausrichtung fördert das SVI ganzheitliche Verpackungslösungen. Ziel ist, die Innovationskraft und die Wettbewerbsfähigkeit der schweizerischen Verpackungswirtschaft zu stärken und nach aussen zu präsentieren. Als Kommunikationsplattform unterstützt das SVI die Weiterentwicklung des Verpackungswesens sowie den Erfahrungsaustausch zwischen seinen Mitgliedern und fördert die berufliche Weiterbildung. Das SVI pflegt Kontakte zu Hochschulen, Organisationen, Wirtschaftsverbänden und Unternehmen, die in der Verpackung tätig sind.
Susanne Köhler ist Kommunikationsverantwortliche des Schweizerischen Verpackungsinstituts SVI.