Wie kann ein KMU seine Effizienz steigern?
René Baumann: Es gibt angesichts der aktuellen industriellen Entwicklung drei Erfolgsfaktoren in der Wertschöpfung: die Mitarbeitenden, die Automatisation und die Digitalisierung.
Welche Rolle spielen die Mitarbeitenden?
Mitarbeitende werden oft zu spät oder gar nicht in Strategiepläne eingebunden, was zu Schwierigkeiten bei der Umsetzung führt. Veränderungen sollten von den Mitarbeitenden getragen werden, die ihre eigenen Ideen und Sinnhaftigkeit in die Arbeit einbringen. In traditionellen hierarchischen Systemen bestimmen Vorgesetzte, was gemacht wird, wodurch Mitarbeitende passiv bleiben. Bei der Selbstorganisation arbeiten Teams hierarchieübergreifend zusammen und entwickeln Lösungen eigenverantwortlich. Dies führt zu höherer Motivation und Innovation.
Was genau versteht man darunter?
In einem hierarchischen System, so wie es heute meistens noch vorherrscht, bestimmt der Chef, was gemacht wird. Das führt dazu, dass die Mitarbeitenden passiv sind, nur Aufträge erledigen und nicht oder nur zum Teil mitdenken. Schlimmstenfalls führen sie also aus, womit man sie beauftragt, und warten dann auf weitere Instruktionen. Dadurch entstehen unproduktive Wartezeiten, es ist keine Innovation möglich. Das ist vergleichbar mit dem Ampelsystem an einer Kreuzung. Andere bestimmen, die Verantwortung wird an die Ampel delegiert. Intelligenz und Eigenverantwortung der Menschen werden nicht genutzt. Bei einer Funktionsstörung oder einem Ausfall der Ampeln gibt es Stau, es wird chaotisch bis gefährlich. Beim Prinzip der Selbstorganisation nutzt man die kollektive Intelligenz.
Konnten Sie dazu schon praktische Erfahrungen sammeln?
In meinem Unternehmen, Gremotool, und bei meinen Studenten haben wir Selbstorganisation eingeführt. Die Ergebnisse sind beeindruckend, wenn die Prinzipien verstanden werden. Zum Beispiel Systeme. Es gibt
❱ einfache Systeme: Klar definierte Positionen mit wenigen Schnittstellen.
❱ komplizierte Systeme: Abteilungsübergreifende Koordination, zum Beispiel Montage nach Verfügbarkeit von Ressourcen. Und
❱ komplexe Systeme: Verknüpfung aller Abteilungen, zum Beispiel Auswirkungen eines verspäteten Montagestarts auf die Liquidität.
In einem KMU können Mitarbeitende durch ihre Leistungen potenzielle Hürden überwinden und tragen gemeinsam Verantwortung für den Unternehmenserfolg. Die Kommunikation sollte dabei nicht ausser Acht gelassen werden. Beachten sollte man, dass
❱ Kommunikation entscheidend ist, um Veränderungen zu vermitteln.
❱ Informationen klar und spezifisch gekennzeichnet sein sollten.
❱ Live-Kommunikationsräume Verständnis und Akzeptanz fördern.
Weiterer Beitrag zur Effizienz: Automatisation. Welches Sparpotenzial liegt da?
Die MEM-Industrie der Schweiz hat weltweit die teuersten Stundensätze. Durch eine Automatisation werden die unproduktiven Standzeiten verringert, die Spindelzeiten erhöht. Beispiel: Erhöhe ich die Spindelzeit pro Woche von 80 auf 120, erhöhen sich die produktiven Stunden pro Jahr von 1920 auf 5184 Stunden, der Stundensatz fällt von CHF 108.71 CHF auf CHF 76.54. Erhöhe ich die Spindelzeit auf 144 Stunden, steigen die jährlichen produktiven Stunden auf 6220,8, der Stundensatz fällt auf CHF 62.60.
Was gilt es bezüglich Automatisation zu beachten?
Ein KMU sollte überlegen, welche Strategie in der Wertschöpfung umgesetzt werden soll: Insellösungen oder eine Gesamtlösung. Maschinen, Handling Systems und Software (ERP, CAM, CAD, TDM) müssen über eine gemeinsame Schnittstelle kommunizieren können.
Es lohnt sich auch, mit den Kunden über ihre Ziele und Visionen für die nächsten Jahre zu sprechen und sie zu fragen: Wo geht ihr hin und was braucht ihr auf diesem Weg? Was kann ich dazu beisteuern? Der Kunde schätzt es, wenn
er sich nicht auf die Suche nach neuen Zulieferern machen muss. Das setzt aber Vertrauen und Transparenz voraus. Meine Empfehlung:
❱ Unternehmensziele fokussieren sich auf die Wertschöpfung.
❱ Wissen der Mitarbeitenden nutzen.
❱ Digitalisierungspotenzial prüfen.
❱ Bestehende Infrastruktur anpassen.
❱ Messebesuche planen.
❱ In der automatisierten Fertigung ist Vorlaufzeit entscheidend.
Was ist in Bezug auf die Digitalisierung zu beachten?
Ohne klare Prozesse und Organisation ist keine Digitalisierung möglich. Unterstützungssysteme (PIM, CRM, ERP, QMS, TDM, PLM, PDM, CAD, CAM, MES, APS) sind nur so gut wie die Informationen, die sie erhalten. Die Digitalisierung muss an bestehende Bedingungen angepasst werden.
Ich sehe den Erfolg zur erfolgreichen Digitalisierung in folgenden Punkten:
❱ Erkennen: Digitalisierung ist eine Herausforderung.
❱ Grosse Projekte in Teilschritte aufteilen.
❱ Klare Zielsetzung und eindeutige Prozesse sind unerlässlich.
❱ Mitarbeitende übernehmen Aufgaben, Verantwortung und Kompetenz.
❱ Digitalisierung erfordert vorausschauendes Arbeiten.
Herr Baumann, vielen Dank für die Ausführungen.
Weitere Informationen unter www.swissmechanic.ch