Ein blanker Fahrradrahmen aus Stahl oder Aluminium würde vielleicht beeindruckend aussehen, wäre aber in der Praxis ziemlich nutzlos, da er schnell verkratzen und rosten würde. Deshalb werden nicht nur Fahrradrahmen, sondern viele metallische Produkte mit einer schützenden Lackschicht im Pulverbeschichtungsverfahren versehen.
Das in der Regel zumindest teilautomatisierte Verfahren findet breite Anwendung sowohl in der industriellen Serienfertigung als auch bei individuellen Kleinaufträgen. Typische Anwendungsbereiche sind z. B. Fenster, Türen, Möbel und Fassaden. Auch industrielle Maschinen und Fahrzeugteile werden häufig pulverbeschichtet.
Beim Pulverbeschichten wird ein elektrisch leitfähiges, also metallisches Bauteil mit einem Pulverlack beschichtet. Dadurch werden Oberflächen sowohl mechanisch als auch optisch aufgewertet. Pulverlacke sind organisch und bestehen aus Bindemitteln, Additiven und Pigmenten, alle als feste Partikel mit Korngrössen zwischen 1 und 100 µm. Im Gegensatz zu flüssigen Lacken benötigen sie daher keine Lösemittel und sind somit umweltfreundlicher. Das Pulverlackierungsverfahren besteht aus mehreren Schritten, darunter die Oberflächenvorbehandlung (Reinigung und Erzeugung einer Konversionsschicht), die elektrostatische Aufladung des Pulvers und die Beschichtung des Werkstücks sowie das abschliessende Einbrennen des Pulverlacks im Ofen.
Schritt 1: Reinigung des Werkstücks
Vor der Applikation des Pulverlacks muss die Oberfläche des zu beschichtenden Bauteils absolut sauber und trocken sein. Andernfalls kann es zu Haftungsverlusten oder Kraterbildung im Lackfilm kommen. Durch mechanische Vorbehandlung wie Schleifen, Bürsten und Strahlen werden grobe Verunreinigungen wie Staub, Rost oder Zunder entfernt. Das Strahlen mit Edelstahlkorn oder Glasperlen dient zusätzlich der Aufrauhung der Oberfläche. Bei der chemischen Vorbehandlung werden Verunreinigungen wie Lacke und Fette entfernt.
Schritt 2: Konversionsschicht
Im nächsten Schritt wird durch chemische Veränderung der Werkstückoberfläche eine Konversionsschicht erzeugt. Diese sehr dünne, nichtmetallische, meist anorganische Schicht vergrössert die aktive Oberfläche und verbessert die Haftung des Pulverlacks, während sie gleichzeitig zusätzlichen Korrosionsschutz bietet.
Bei der Phosphatierung reagiert die Werkstückoberfläche mit den Metallionen (meist Eisen oder Zink) einer wässrigen Phosphatlösung, so dass die Metallphosphate fest in die oberste Schicht des Werkstücks eingebaut werden. Diese Methode eignet sich für Stahl, verzinkten Stahl und Aluminium. Die Anodische Oxidation (Eloxieren) ist ein elektrochemischer Prozess, bei dem eine homogene Oxidschicht auf Aluminiumbauteilen gebildet wird.
Schritt 3: Aufladung des Pulvers
Die Applikation des Pulverlackes auf das elektrisch leitende Werkstück erfolgt auf der Grundlage der elektrostatischen Haftung. Dazu muss der Pulverlack zunächst elektrostatisch aufgeladen werden. Dies kann durch zwei Methoden erfolgen: Bei der Corona-Aufladung erzeugt eine Hochspannungselektrode ein elektrisches Feld, das die umgebende Luft ionisiert und so die Pulverpartikel auflädt. Bei der triboelektrischen Aufladung werden die Pulverpartikel durch Reibung in der Lackierpistole aufgeladen.
Schritt 4: Beschichten
Der Pulverlack wird durch die Düse der Spritzpistole zerstäubt und in die Umgebung des geerdeten, also ungeladenen Werkstücks in der Lackierkabine gebracht. Durch die gegenseitige Abstossung der gleich geladenen Pulverteilchen entsteht eine homogene Pulverwolke. Wenn die ionisierten Partikel auf das Werkstück treffen, erzeugen sie im Moment des Aufpralls eine Gegenladung auf der Werkstückoberfläche. Die Anziehungskraft (Coulombkraft) zwischen der Ladung der Teilchen und der Gegenladung auf dem Werkstück bewirkt, dass die Teilchen an der Oberfläche haften. Die elektrostatische Kraft muss stärker sein als die Schwerkraft. Deshalb ist die Schichtdicke beim Pulverlackieren physikalisch begrenzt und liegt typischerweise zwischen 60 und 120 µm. Die Beschichtung bleibt bis zu einigen Stunden haftfähig, bevor das Pulver durch den allmählichen Ladungsausgleich wieder abfallen würde. Um dies zu verhindern, folgt der Einbrennvorgang.
Schritt 5: Einbrennen im Ofen
Nach der Beschichtung wird der Pulverlack in einem Ofen bei Temperaturen zwischen 110 und 250 °C eingebrannt. Dieser Prozess, auch Vernetzungsvorgang genannt, beginnt mit dem Aufschmelzen des Pulverlacks im Ofen. Anschliessend vernetzen die Kunststoffteilchen sich miteinander sowie mit den anderen Festkörpern im Pulverlack zu einer homogenen und glatten Pulverlackschicht.
Automatisierung in der Pulverlackierung
In der modernen Pulverbeschichtung ist der Prozess häufig automatisiert oder zumindest teilautomatisiert. Automatische Anlagen sind in der Lage, grosse Stückzahlen in hoher Qualität und mit gleichmässigen Ergebnissen zu beschichten. Einzelne Kleinteile werden häufig in Handpulverkabinen und gasbeheizten Kammeröfen beschichtet. Für grosse Serienaufträge werden vollautomatische Anlagen mit Fördersystem und gasbeheiztem Durchlaufofen eingesetzt. Die Produkte durchlaufen an einer Transportschiene hängend die Vorbehandlung, die Beschichtungskabine und den Ofen.
Die Implementierung solcher automatisierten Anlagen sind jedoch mit erheblichen Investitionen verbunden. Neue Maschinen und Anlagen können sehr teuer sein. Eine kostengünstigere Alternative bietet der Kauf von Gebrauchtmaschinen. Besonders aus Betriebsschliessungen gelangen hochwertige, neuere Anlagen auf den Gebrauchtmaschinenmarkt. So auch im Fall der Insolvenz der Pulverlackierung Sarnoch GmbH. Bei der Surplex-Tochter HT wird am 03.07. die gesamte Produktion des Pulverbeschichters versteigert.
Weitere Informationen unter www.ht-kg.de