Das Zürcher Logistik-Kolloquium im Dozentenfoyer der ETH Zürich war wieder ein voller Erfolg! Rund 70 Gäste aus Industrie und Wirtschaft nutzten am Dienstag, 2. Mai 2023, die Gelegenheit für einen regen Gedankenaustausch im Verlauf der drei inspirierenden Referate.
Den Anfang machte Herr Dr. Jean Philippe Burkhalter, Leiter Operations (COO) und Mitglied der Geschäftsleitung der Elektro-Material AG in Zürich, der unter dem Titel «Logistikzentrum – Neue Massstäbe» ihr modernisiertes Logistikzentrum vorstellte.
Zu Beginn betonte Dr. Burkhalter die Unabdingbarkeit des nachhaltigen und verantwortungsvollen Handelns in der gesamten Wertschöpfungskette jedes Unternehmens. Dies bildete die Basis bei der Entwicklung der eigenen Lösungskonzepte, bei der die EM eine sogenannte «Urban Areas Strategy» anwandte. Das bedeutet, die Firma verfügt über kein Zentrallager, sondern über neun Niederlassungen an für die Kundennähe optimal platzierten Standorten. Zusätzlich wird die Kundenbindung über digitale Channels, persönliche Beratung in den EM-Shops sowie durch kundenzentrierte Dienstleistungen gefestigt.
In diesem Zusammenhang stellte Dr. Burkhalter das «movEM» Projekt vor, bei dem in Zusammenarbeit mit der Dr. Acél & Partner AG ein wegweisendes Logistikzentrum entwickelt wurde. Die Gebäudeplanung folgte dem Grundsatz «Shape Follows Function», sodass fast alle Logistik-Aktivitäten prozessorientiert im Erdgeschoss Platz finden. Die hohe Automatisierung steigert zusätzlich die Effizienz in der Logistik. Die umgesetzte Lösung ist wegweisend für die Schweiz.
«Stromversorgung: Eine logistische Aufgabe?» stellte Herr Dr. Maurus Bachmann, Geschäftsführer Verein Smart Grid Schweiz (VSGS) und Swisseldex, als Frage seinem Vortrag voran. Obwohl die Stromversorgung selten so wahrgenommen wird, gehört sie zur High-End-Logistik. Was das Stromnetz heute an logistischer Leistung vollbringt, gilt für viele andere Unternehmungen als anzustrebendes Fernziel. Heute liegt seine Verfügbarkeit bei 99.996 %.
Die Herausforderung bei der Stromversorgung besteht vor allem in der «Kommissionierung» der Spannung und in der Unmöglichkeit, Strom zu «lagern». Das heisst, die Stromversorgung benötigt eine perfekt abgestimmte Logistik. In Echtzeit gesteuert, muss stets die richtige Menge und Spannung bereitstehen.
Die Produktion muss also permanent örtlich sowie zeitlich auf den Verbrauch abgestimmt werden. Dies ist eine komplexe Aufgabe: Welche Rahmenbedingungen gelten bei der Produktion, wie verändert sich der Verbrauch, was leisten die Stromnetze, welche lokalen Nutzungsmodelle bestehen und wie ist mit der enormen Herausforderung der Saisonverläufe umzugehen?
Dr. Bachmann unterstrich, dass für das Verteilnetz der Zukunft die Gesamtsicht über die Stromversorgung von Produktion bis Verbrauch zentral ist. Für diese Planung sind kurz-, mittel- und langfristige Konzepte notwendig. Aber auch beim Verbraucher muss sich insbesondere bzgl. E-Mobilität ein neues Bewusstsein und Anpassungsvermögen etablieren.
Zusammenfassend sieht Dr. Bachmann die grössten Herausforderungen für die Logistik der Stromversorgung bei der saisonalen Speicherung, der Integration der Photovoltaik und im Mangel eines eindeutig gesetzten Fokus.
Abschliessend präsentierte Herr Dipl. Ing. Wolf-Dieter Tigges, Leiter Technik S-Bahn Frankfurt-Friedberg / Gateway-Gardens, DB Netz AG, das Grossprojekt der Deutschen Bahn mit Fokus auf die Entsorgungslogistik «Stuttgart 21: Herausforderungen an die Entsorgungs-Logistik». Stuttgart 21 fügt sich als Knotenpunkt ins Projekt «Stuttgart-Ulm» ein, welches auf den Ausbau des transeuropäischen Verkehrsnetzes auf der zentralen West-Ost-Achse zur Optimierung des Personen- und Güterverkehrs abzielt.
Das Riesenprojekt der Deutschen Bahn hat mit eher ungewöhnlichen logistischen Anforderungen zu tun. Beim Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof, der um 90 Grad zur heutigen Lage gedreht werden soll, sind neue Lösungen nicht nur für die Entsorgung des anfallenden Ausbruchs notwendig. Aufgrund der aussergewöhnlichen Lage mitten in der Stadt müssen auch Belästigungen durch Lärm, Erschütterungen, Staub, Schmutz und Licht möglichst reduziert werden. Neue Lösungen lösen diese Herausforderungen. Für Stuttgart 21 wurde ein neues Baustrassensystem eingerichtet, sodass der öffentliche Strassenverkehr durch den Bau nicht beeinträchtigt wird. Die Entsorgung kann zu 98% über den Schienenverkehr oder LKWs stattfinden, der Ausbruch kann dank eines elektronischen Abfallnachweisverfahrens lückenlos kontrolliert werden, neue Technologien werden gegen die Immissionsbelastung eingesetzt. Als besonderen Erfolg hob Herr Tigges die Entwicklung eines neuen intermodal einsetzbaren Transportbehälters hervor. Der zusammen mit Schmitz Cargobull entwickelte Spezialcontainer ermöglicht einen effizienten und sicheren Ablauf beim Schüttgutumschlag.
Nach einer abschliessenden Diskussionsrunde nutzten die Teilnehmenden die Gelegenheit zu gegenseitigem Austausch und Networking bei einem Apéro riche mit wunderschöner Aussicht auf die Stadt Zürich.